Die Mitte

Die kühne Botschaft der Tibeter
Alles unterliegt ständigem Wandel und dennoch  hat alles seine Zeit
In der Natur ist nichts in Ruhe, alles pulsiert, erscheint und vergeht, unterliegt ständiger Veränderung. Herzschlag, Atmung, Verdauung, Schlafen, Wachen, Geburt, Tod. Leben bedeutet ständige Wandlung, ständiges Loslassen. Es ist sinnlos gegen den Fluss des Lebens anschwimmen zu wollen. I Ging

Das alte Wissen vom Dach der Welt
Den Mönchsärzten Tibets ist es zu verdanken, dass uns eine Medizintradition  erhalten blieb, die konsequent heilendes Wissen und Rituale für Mensch und Natur in den Mittelpunkt der Therapie stellt und dabei nur ein Ziel vor Augen hat: Den Weg zurück zur Mitte, zur Einheit und Gesundheit von Körper, Geist und Seele. Diese Medizin vereint das Wissen verschiedener Heilsysteme: des indischen Ayurveda, der TCM, der persischen Unani- Medizin und der mongolisch-schamanistischen Bönmedizin. Niedergeschrieben wurde das gesammelte Wissen im 12. Jhd. von dem tibetischen Arzt Yuthog Yonten Gonpo im Gyüschi (Vier Tantras), dem bis heute gültigen Grundlagenwerk. Er berief sich auf Wissen, das der „Medizin-Buddha“ Sakyamuni den Menschen vor Urzeiten überliefert habe. Die enge Verbindung von Medizin und Spiritualität macht die Tibetische Medizin zu einer einzigartigen Erscheinung, die unsere Sichtweise von Gesundheit und Krankheit um wertvolle Elemente bereichert.

Die tibetische Medizin ist eine über Jahrhunderte gereifte Wissenschaft vom Menschen und den Lebensumständen, die auf sein Menschsein Einfluss nehmen. Sie beschreibt in vortrefflicher Weise was der Mensch tun kann um gesund und tatkräftig zu leben und wie er sein Denken und Handeln  verändern darf um seine Gesundheit und Lebensfreude zu spüren. Die tibetische Medizin kann im Westen eine Lücke schließen wenn es darum geht Krankheiten und Befindungsstörungen mit Hilfe traditioneller Untersuchungstechniken (insbesondere Pulsdiagnose) frühzeitig aufzudecken und vorbeugend effektiv zu behandeln.
Betrachtet man die Essenz der tibetischen Medizin von damals ("Medizin-Buddha" Sakyamuni) bis heute ( 14.Dalai Lama) unter dem Blickwinkel ihrer Effizienz, Integrierbarkeit und Praktikabilität hier im Westen, so findet man neben zukunftsweisenden früherkennenden Diagnoseverfahren wie der traditionellen Pulsdiagnose  und zahlreichen effektiven Therapieverfahren eine Schatztruhe voll mit wichtigen Lebensweisheiten die das unsichtbare Netzwerk und die Faktoren, die das Menschsein bestimmen zu ordnen vermögen. In einem ganzheitsmedizinischen Ordnungskonzept wird diese Kunst des gesunden Lebens nahe der Mitte zeitgleich auf körperlicher und geistiger Ebene umgesetzt. Alte Ideen werden weitergedacht und an unsere Lebensumstände angepasst. Das Potential des alten tibetischen Wissens um die Naturgesetze kann uns eine wertvolle Lebenshilfe sein umso mehr wir uns darauf einlassen und die Essenz des Wissens annehmen. Im Mittelpunkt steht dabei folgende Kernbotschaft:

1. Gedanken machen krank
Krankheit und Leid sind Ausdruck geistiger Unordnung. „Falsches Denken“ ist die Ursache von Krankheit.  In der Folge provozieren letztendlich „falsches Verhalten“, das Nichtbeherrschen der Emotionen und die Unwissenheit und Verblendung alles Leiden. Aus dieser Weltanschauung resultiert die Überzeugung, dass Leben Krankheit und Leid bedeutet solange es nicht gelingt die Eigenverantwortung für das eigene Schicksaal zu übernehmen und es durch eine Veränderung des Bewusstseins auf die Geschehnisse verantwortungsbewußt einzuwirken . Der Arzt hat die Aufgabe dabei zu helfen indem er inspiriert und motiviert damit ein neues Denken und damit einhergehend eine Verhaltensänderung eintritt. Medikamente sind letztlich nur ein Notbehelf.  Auch wenn die Botschaft im ersten Moment erschreckend klingt, so ist es dennoch so dass wir mit unseren Gedanken und unserem Bewusstsein weitaus mehr  Verantwortung für die Realität die wir erfahren tragen als wir es bisher angenommen haben. Bewusstheit, Verständnis, Mitgefühl, Liebe, Geduld, Sorgfalt und Respekt sind nur einige der Beispiele von (sattva-) Tugenden die wir uns aneignen können, um unser Leben  lebenswerter , glücklicher und gesünder zu gestalten. Vielerlei kraftvolle Techniken, Meditationsformen und tief greifendes Wissen über die Zusammenhänge versetzt uns in die Lage bewusst aktiv an der Kraft unserer Mitte mitzuwirken und damit unser Schicksal aktiver mitzubestimmen.

Klagen und Jammern sind das Maß für das Unverständnis der Spielregeln des Lebens

2.Nüspa  – die Lebensenergie steuert Vitalität und Gesundheit
Jede irdische Manifestation ist Ausdruck einer allumfassenden Kraft, einer dynamischen Energie, die jedes Lebewesen durchdringt. Diese unsichtbare auch den menschlichen Körper durchdringende Lebenskraft kann stark oder auch schwach zum Ausdruck kommen. Lebendigkeit, Ausstrahlung, Frohsinn, Gelassenheit, innere Stärke, Mut, Freude, Begeisterung und Leidenschaft sind Ausdruck eines gleichmäßigen  Flusses dieser Lebensenergie. Der Mensch, dessen Lebensenergie so fließt, hat einen klaren festen Blick, leuchtende Augen, eine starke, deutliche Stimme, einen festen Händedruck und ein bestimmtes, präsentes Auftreten, sein Abwehrschild, das Immunsystem, ist intakt. Er ist kompromisslos lebensbejahend, authentisch und mit sich und der Welt im Einklang.

Wir selbst haben es in unserer Hand  wie stark oder wie schwach unser Nüspa ausgeprägt ist. Das Gewahrsein, der bewusste Umgang mit den Ordnungsprinzipien der gesunden Lebensführung und mit den geistigen Naturgesetzen ist der Schlüssel für ein starkes Nüspa.
So wie das Bewusstsein das Sein bestimmt, und der Mensch dementsprechend ist, was er denkt!, so ist ein  frischer Geist die wesendliche Quelle  von Nuspa und damit Grundvorrausetzung für Gesundheit, Vitalität und Glück.
Die sich durch die natürliche bewusste Lebensführung nährende Energie Nüspa  bleibt in Fülle und im Fluss und sichert uns eine starke Mitte durch ein harmonisches Zusammenspiel  ihrer fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser und den sich aus ihr formenden Lebensessenzen rLhung (Wind), mKhris-pa (Galle) und Bad-kan (Schleim).

3. Drei Lebensessenzen (Energieprinzipien)  bestimmen unser Sein
Das gesamte Universum ist ebenso wie der Mensch eine Erscheinung der Manifestationsvielfalt dieser drei Energieprinzipien und der mit ihnen verbundenen Aspekte. D.h. eine Komposition von geistigen, seelischen und körperlichen Prozessen die in Strukturbildenden, sich wandelnden und beharrenden Phänomenen erscheinen. Jeder Mensch ist von diesen drei Lebensessenzen in unterschiedlicher Ausprägung durchdrungen. Dabei ist von Geburt an eine der drei Lebensessenzen dominierend und bestimmt damit maßgebend Charakter und Ausrichtung eines Menschen.
Bestimmte Eigenarten sind ihm damit in die Wiege gelegt. Sie sind hilfreiche Werkzeuge auf dem Weg das zu erfahren und zur Entfaltung zu bringen was von Natur aus in uns angelegt ist. Der richtige Umgang mit diesem individuell Mitgegebenen ist ein maßgeblicher Faktor wenn es darum geht eine stabile Mitte aufrecht zu halten.

· rLhung  (Wind) - die Energie der Formierung (Holz): rLhung steht für das bewegliche strukturbildende Element in Körper und Geist und ist an allen physiologischen Prozessen beteiligt, die ihrem Wesen nach dynamisch sind. Es ist die treibende und formierende Kraft hinter den vegetativen Funktionen Atmung, Herztätigkeit und Peristaltik, steht aber auch für kognitive und geistige Aktivitäten.
· mKhris-pa (Galle) - das Feuer des Lebens: mKhris-pa steht für die unterschiedlichen Arten von Wärme im Körper und ist am Prozess des Metabolismus, des ständigen  Wandels beteiligt und damit auch am Wechselspiel z.B. „hochkochender“ psychoemotionaler Reaktionen.
· bad-kan (Schleim) – das Feste und Flüssige (Erde, Metall, Wasser): bad-kan steht für alle Faktoren des Flüssigen und Festen im Körper. Es erfüllt mechanische stabilisierende, zusammenhaltende und verfestigende Funktionen.

Wenn diese Körperessenzen durch äußere oder innere Auslöser in einen Zustand des Mangels oder des Überschusses getrieben werden, stören sie sich gegenseitig und wir geraten aus unserer Mitte. Unwohlsein, Symptome und Krankheit sind die Folge. Gelingt es uns ein Gefühl für die jeweilige Ausprägung der drei Lebensessenzen und ihrem verfeinerten Ausdruck in Form der 5 Elemente zu bekommen, so haben wir einen unschätzbar wertvollen Schlüssel zu Gesundheit, Vitalität und Wohlbefinden in der Hand. Wir können die 5 Elemente sodann als Werkzeug benutzen um uns immer wieder an die Kraft unserer Mitte anzubinden.

4. Der Arzt ist zunächst Begleiter und Lehrer des gesunden Patienten
Der Arzt der Zukunft wird ebenso wie der Arzt der fernen Vergangenheit  wieder ein Philosoph, Lehrer und Weggefährte  sein. Er erhebt über die alte Technik der tibetischen Pulsdiagnose einen emotionalen ebenso wie physischen Status. So kann er einen Einblick in den Zustand und die Ursache des wirklichen Leids, dessen was dem Patienten in der Tiefe seines Wesens fehlt erhalten. Dieser Energiestatus des Patienten gibt Aufschluss über das Ungleichgewicht der 5 Elemente und der drei Energieprinzipien und macht damit eine Aussage darüber, in welchem Bereich der Patient aus seiner Mitte geraten ist. Nun gibt er Hinweise zur körperlichen Stärkung des Nüspa, zum Energieausgleich der Elemente und er gibt geistige Nahrung indem er inspiriert und den Glauben an die eigenen Heilkräfte und noch unentdeckten Potentiale fördert. Er inspiriert und motiviert den eigenen Weg zu finden damit sich das verwirklichen kann was von Natur aus angelegt ist.
5. Pulsdiagnose ermöglicht Früherkennung von Störungen
Die über jahrtausende gereifte Technik des Pulslesens ermöglicht eine genaue Diagnosestellung ebenso wie das frühe Erkennen von Energiestörungen noch bevor eine Krankheit ausbricht. So kann der Gesunde noch rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen.